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Geschichte

Entstehung

Von der «Ni una Menos»-Bewegung gegen Gewalt an Frauen* in Lateinamerika, über die Women’s Marches in den USA bis hin zur Repeal-Kampagne gegen das Abtreibungsverbot in Irland: In den letzten Jahren sind feministische Forderungen auf der ganzen Welt lauter und erfolgreicher geworden. Am spanischen Frauen*streik am 8. März 2018 haben mehrere Millionen Frauen* gestreikt und ihre bezahlte und unbezahlte Arbeit niedergelegt. Der polnische «Black Protest»-Streik im Oktober 2016 hat es geschafft, eine Verschärfung der Abtreibungsgesetze zu verhindern. Und der Frauen*streik, der in Deutschland für den 8. März 2019 organisiert wurde, hatte zum Ziel die ganze Republik lahmzulegen.

Auch in der Schweiz bereiteten sich 27 Jahre nach dem ersten Frauen*streik alle auf einen zweiten Streik am 14. Juni 2019 vor. Während der erste Frauenstreik 1991 vor allem von den Gewerkschaften geführt wurde, stand im Frauen*streik von 2019 eine breite Bewegung von Frauen* mit den verschiedensten Hintergründen bereit. Darunter waren Frauen*, die schon beim ersten Streik mitgewirkt haben, genauso wie junge Frauen*, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben politisch engagierten. Zur Organisation wurden basisdemokratische Streikkomitees geschaffen, die zusammen mit Arbeitsgruppen zu spezifischen Themen den Streik formen sollten. In St. Gallen trafen sich genau dazu am 13. Januar 2019 über 50 Frauen* beim ersten St.Galler Frauen*streik-Treffen – und diskutierten, wieso sie am14. Juni 2019 streiken werden:

1. Ökonomische Gleichstellung
In der Schweiz verdient die durchschnittliche Frau* noch immer einiges weniger als der Durchschnittsmann*. Die Lohndifferenz stammt daraus, dass Frauen* strukturell benachteiligt werden: So müssen sie öfter Teilzeit arbeiten, weil sie zuhause noch unbezahlte Care-Arbeit leisten, landen häufig in den systematisch unterbezahlten «Frauen-Berufen» und werden weniger oft befördert oder mit Lohnerhöhungen belohnt wie ihre Kollegen. Zu rund 50% lässt sich die Lohndifferenz aber nicht einmal durch diese Faktoren «erklären» und fusst nur auf offenem, blankem Sexismus. Darum fordert der Frauen*streik Lohngleichheit mit Kontrollen und Sanktionen, Frauen*quoten für Gremien und Führungspositionen sowie eine gendergerechte Umverteilung der Wertschöpfung.

2. Anerkennung der Care-Arbeit
Frauen* leisten doppelt so viel Haus-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit wie Männer* – unbezahlt und unsichtbar. Diese Arbeit ist unentbehrlich für das Funktionieren der Wirtschaft und Gesellschaft. Darum fordert der Frauen*streik die gerechte Teilung der Care-Arbeit mit Massnahmen wie einer Elternzeit und einer Verringerung der Arbeitszeit, wie auch die Anerkennung von Care als Arbeit (z.B. bei den Sozialversicherungen und Job-Suche).

3. Bekämpfung der Altersarmut
Altersarmut ist weiblich*. Die obengenannten Diskriminierungen bedeuten weniger Ersparnisse und Einzahlungen in die 1. und 2. Säule. Bestehende ausgleichende Mechanismen in der AHV reichen bei weitem nicht aus, sodass Frauen* in der Schweiz 40% weniger Altersrenten als Männer* erhalten. So sind fast doppelt so viele Frauen auf Sozialhilfe angewiesen und können sich ein Leben in Würde im Alter kaum leisten. Darum fordert der Frauen*streik Stärkung und Ausbau der AHV und eine konsequente Ablehnung der Erhöhung des Frauen*-Rentenalters.

4. Seximus beenden
Das häufigste Todesursache für eine Frau* zwischen 16 und 44 Jahren ist Gewalt – durch Männer*. Und während Gewalttaten gegen Männer* seit 2009 abnehmen, nehmen sie gegen Frauen* massiv zu. Der Sexismus in unserer Gesellschaft bedroht und tötet Frauen* ganz direkt. Aber Gewalt gegen Frauen* beginnt bereits auf einer subtileren Ebene: Mit Grabschen, Belästigungen, Nachpfeifen, mit anzüglichen Kommentaren und Anmachen. Das alles fusst darauf, dass die Frau* einem gewissen Rollenbild entsprechen soll – und bestraft wird, sobald sie das nicht tut. Darum kämpft der Frauen*streik dafür, dass sich mehr Frauen* politisch und feministisch engagieren. Dazu gehört politische und feministische Bildung in den Schulen und neue Geschlechterbilder für Kinder genauso wie ein Bekämpfen von sexistischen Darstellungen in den Medien und die Erfassung von genauen Daten zu Sexismus in der Gesellschaft.

Der Frauen*streik 2019 hatte sich Grosses vorgenommen. Dazu war es notwendig, dass möglichst viele verschiedene Frauen* im Streik eingebunden wurden – egal ob Mütter, Familienfrauen*, Karrierefrauen*, Studentinnen, Politikerinnen, Migrantinnen Lohnabhängige. Weil die Gesellschaft Frauen* grundsätzlich unterdrückt, ist jede Frau* auch in der einen oder anderen Form betroffen – und wir alle müssen gemeinsam dagegen kämpfen!

Für faire Löhne und faire Renten – dank ökonomischer Gleichstellung

Seit jeher leisten mehrheitlich Frauen die unbezahlte und bezahlte Betreuungs-, Pflege- und Hausarbeit für Kinder und Pflegebedürftige, welche die ganze Gesellschaft zum Funktionieren braucht (Überbegriff: Care-Arbeit). Diese Arbeit erfährt praktisch keine gesellschaftliche Anerkennung. Die Berufe im Care-Bereich sind traditionell schlecht bezahlt und werden oft von mehrfach-diskriminierten Personen wie Migrantinnen ausgeübt.

Die unbezahlte Care-Arbeit zuhause führt für viele Frauen zu Doppelbelastungen in Familie, Beruf und im Sozialleben: oft müssen sie ihr bezahltes Arbeitspensum reduzieren und bekommen daher weniger Lohn. Die Folge: In der Schweiz verdient die durchschnittliche Frau über ihr Leben hinweg 43.2 % weniger Geld als der Durchschnittsmann!

In unserem System ist aber nur dieser Lohn aus der Erwerbsarbeit rentenbildend. Wer nicht erwerbstätig ist, hat kein Recht in die Säule 3a einzuzahlen und später bloss eine minimale AHV und keine Pensionskasse. Frauen, die wegen Care-Arbeit weniger Erwerbsarbeit nach­gehen können, geraten so in die Abhängigkeit – und die Altersarmut. Diese Altersarmut ist weiblich. Frauen in der Schweiz erhalten 37 % weniger Rente, das sind fast 20’000 Franken im Jahr.

Wir fordern: diese Lücke muss geschlossen werden! Die Care-Arbeit soll bei den Arbeitsbedingungen, der Lohnentwicklung und den Sozialversicherungen anerkannt werden. Frauen sollen faire Renten erhalten, wenn sie zum Wohle der Gesellschaft so viel unbezahlt leisten. Ebenfalls wollen wir die Stärkung und den Ausbau der AHV; eine Erhöhung des Frauen-Rentenalters lehnen wir konsequent ab!

Generell muss bezahlte und unbezahlte Arbeit gerechter aufgeteilt werden – zwischen allen Geschlechtern und allen sozioökonomischen Klassen. Dazu gehört, dass Pflege- und Betreuungsberufe bessere Arbeitsbedingungen und Löhne erhalten!

#altersvorsorge #frauenarmut #unbezahltecarearbeit #genderpaygap #genderpensiongap #werkümmertsich

Für das Recht, selber über unsere Körper bestimmen zu können

In der Schweiz ist ein Schwangerschaftsabbruch nur bis zur 12. Woche unter bestimmten Bedingungen straffrei. Aber er ist weiterhin grundsätzlich eine Straftat gemäss Strafgesetz. Dabei handelt es sich bei Abtreibungen um eine grundlegende Frage der sexuellen Gesundheit und nicht um ein Verbrechen!

Wir fordern: das Rechts auf Abtreibung muss geschützt werden! Der Schwangerschaftsabbruch soll neu im Zivilgesetzbuch geregelt und in der Verfassung verankert und damit entkriminalisiert werden. Er muss ein konstitutionell geschütztes Recht für Frauen und alle Menschen mit Uterus sein.

Wir fordern ausserdem, dass Zentren für sexuelle Gesundheit mehr finanzielle Mittel erhalten, dass die freie Entscheidung für eine Abtreibung garantiert wird und dass Verhütungsmittel für alle kostenlos sind.

#gesundheit #femalebody #schwangerschaftsabbruch #nocrime #mybodymychoice #meinkörper

Für Sicherheit vor Gewalt und Sexismus

Sexistische Gewalt tötet. Im Jahr 2022 starben in der Schweiz 16 Frauen nur deshalb, weil sie Frauen waren. Trans Personen sind aufgrund der erlebten Diskriminierung und Hass­verbrechen einem sechsfach höheren Selbstmordrisiko ausgesetzt als cis Personen. Jede 5. Frau in der Schweiz ist von sexualisierter Gewalt betroffen. Die Gefahr für nicht-binäre, inter, trans oder agender Personen sowie Migrantinnen ist besonders hoch, da sie im Gewaltfall gesellschaftlichen Stereotypisierungen ausgesetzt sind und vor grösseren strukturellen Hürden stehen.

Dennoch gibt es in den Schutzunterkünften und Frauenhäusern auch in der Ostschweiz regel­mässig zu wenig Plätze – und immer wieder kämpfen sie um ihre Finanzierung.

Wir fordern: der Grundsatz “Nur Ja heisst Ja” muss ins Gesetz kommen! Im Bereich der Prävention von Gewalt und bei den Schutzmassnahmen für Betroffene muss auch der Kanton St.Gallen noch viel aufbauen. Entsprechend der Istanbul-Konvention wollen wir die betroffenengerechte und traumasensible Strafverfolgung sowie eine nachhaltige Finanzierung von Opferberatungsstellen und Schutzunterkünften. Ebenso müssen Gewalt, Übergriffe und Bevormundungen (z.B. Zwangssterilisation) gegen Frauen mit Behinderungen erkannt, ernst genommen und umfassend bekämpft werden.

Um die Leugnung von weissen Privilegien zu überwinden, fordern wir ausserdem mehr Mittel in der Ausbildung, der Prävention und der konkreten Anwendung im Rahmen des Kampfes gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Antisemitismus in der gesamten Gesellschaft. Dies ist eine grundlegende feministische Herausforderung.

#gewalt #jaistja #neinistnein #nowar #erziehteuresoehne #stoppfeminizid

Unsere Streikgründe

Wieso streiken wir?

Deine Streikgründe

Wieso solltest du streiken?

  • Du bist eine Frau? Frauen wie du leisten in der Schweiz jedes Jahr unbezahlte Care-Arbeit im Wert von 242 Mia. Franken! Dafür bekommen wir 43.2 % weniger Lohn und 35 % weniger Rente als Männer. Und jede 5. von uns ist von Gewalt betroffen.
  • Du arbeitest? Du bist von einem unerklärlichen Lohnunterschied betroffen und wirst weniger gefördert als deine Kollegen – besonders, wenn du schwanger werden könntest. Je nach Branche gehört sexuelle Belästigung zu deinem Alltag.
  • Du arbeitest Teilzeit? Dein kleinerer Lohn bedeutet später eine tiefere Rente. Besonders wenn du wegen Care-Arbeit dein Pensum reduziert hast, läufst du Gefahr, im Alter in der Armut zu landen.
  • Du bist queer? Wenn deine Identität nicht in das binäre Bild von Weiblichkeit passt, wird sie von den Institutionen verleugnet. Wenn sich deine Sexualität nicht nur um Männer dreht, wird sie nicht ernst genommen.
  • Du bist eine Person of Color oder Migrantin? Du musst nicht nur auf der Ebene der Gleichstellung kämpfen, sondern auch gegen rassistische Diskriminierung. So erlebst du eine Mehrfachdiskriminierung, die zu einem höheren Risiko von Armut und Gewalt führt.
  • Du bist Mutter oder möchtest eine werden? Du erhältst im Schnitt 68 % weniger Lohn, 35 % weniger Rente und leistest 28,7 Stunden unbezahlte Care-Arbeit pro Woche. Wenn du nicht erwerbstätig bist, bekommst du später bloss eine minimale AHV und keine Pensionskasse.
  • Du möchtest nicht (noch einmal) Mutter werden? Falls du trotzdem schwanger wirst, ist dein Schwangerschaftsabbruch nur bei begründeter Notlage bis zur 12. Woche straffrei. Grundsätzlich ist der Schwangerschaftsabbruch aber eine Straftat gemäss Strafgesetz!
  • Du bist ein solidarischer Mann? Wir wollen, dass du dich dem ernsthaften Dialog über unbezahlte Care-Arbeit, Aufteilung der Erwerbstätigkeit und einvernehmlichen Sex stellst. Und wir wollen, dass du dich mit anderen Männern über diese Themen austauschst.

Aus all diesen Gründen:
Mach mit beim Feministischen Streik!

Melde dich für eine Arbeitsgruppe oder als Helfer*in an. Oder komm einfach am 14. Juni in der Marktgasse St.Gallen vorbei. Bring’ deine Trillerpfeife, dein Transparent oder deine Fahne mit! Und werde mit uns LAUT für mehr GLEICHSTELLUNG!

Forderungen

Was wir fordern?

Unsere GEschichte

Archiv

Das Archivmaterial des Feministischen Streik St.Gallen ...

befindet sich im Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz.

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IBAN CH02 0900 0000 1522 7711 2

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