Forderungen Streikkollektiv St.Gallen
Faire Löhne - Faire Renten
Die Schweiz zählt zu den reichsten Ländern Europas, doch in Sachen berufliche Gleichstellung liegt sie weit zurück. Laut dem «Glass-Ceiling Index» des Economist (März 2025) gehört die Schweiz zu den Schlusslichtern Europas. Sie belegt den enttäuschenden 26. Rang von 29 OECD-Ländern. Frauen verdienen weniger, leisten den Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit und sind in Führungspositionen klar untervertreten.
Diese unbezahlte Arbeit – oft unsichtbar, aber systemrelevant – entspricht laut Bundesamt für Statistik einem Wert von rund 250 Milliarden Franken pro Jahr (Stand 2020). Zum Vergleich: Das ist mehr als ein Drittel des Schweizer Bruttoinlandprodukts.
Die Folgen dieser Ungleichheit zeigen sich auch im Alter: Frauen erhalten rund einen Drittel weniger Rente und sind fast doppelt so häufig von Altersarmut betroffen wie Männer. Es braucht weiterhin den Druck der Zivilgesellschaft, um das zu ändern.
Wir fordern:
- Gleiche Löhne für gleiche Arbeit
- Anerkennung der Care-Arbeit auf dem Arbeitsmarkt und bei Sozialversicherungen
- Flexible Familienzeit und bezahlbare Kita-Plätze, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und die Gleichstellung zu verbessern
- Stärkung der AHV – Denn sie schafft einen Ausgleich, während die 2. Säule die Ungleichheit noch verstärkt.
Schutz vor Diskriminierung, Gewalt und Sexismus
Gewalt gegen Frauen, intersexuelle, nicht-binäre, trans, agender und genderqueere Personen (FINTAQ*) ist in der Schweiz traurige Realität und Ausdruck tiefverwurzelter Ungleichheit. Im Jahr 2025 wurden bis zum 10. April in der Schweiz bereits 14 Frauen ermordet – weil sie Frauen sind. Das entspricht fast einem Femizid pro Woche. In den vergangenen Jahren wurde im Schnitt alle zwei Wochen eine Frau von ihrem (Ex-)Partner, Bruder oder Sohn getötet. Jede Woche überlebt eine Frau einen Tötungsversuch – mit hoher Dunkelziffer.
Sexualisierte Gewalt ist weit verbreitet – und trifft nicht alle gleich. Jede fünfte Frau in der Schweiz erlebt im Laufe ihres Lebens sexualisierte Gewalt. Vier von fünf Frauen haben schon sexuelle Belästigungen erlebt. Für nicht-binäre, trans, inter oder agender Personen, ebenso wie für Frauen und Queers mit Behinderungen, Flucht- oder Migrationsgeschichte oder als BIPoC, ist das Risiko noch höher. Sie sind mehrfach diskriminiert – durch ein System, das sie nicht ausreichend schützt.
Sexualisierte Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem und das Resultat der bestehenden Ungleichbehandlung der Geschlechter. Statt die Betroffenen ernst zu nehmen, schützt unsere Gesellschaft oft die Täter. Noch immer herrscht eine «Rape Culture», die Gewalt verharmlost und den Opfern die Schuld zuschiebt. Die Scham muss endlich die Seite wechseln.
Wir fordern:
- Konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention – für umfassenden Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt
- Effektive Schutzmassnahmen für Betroffene, inklusive besser finanzierter Frauenhäuser mit genügend Plätzen und unabhängige Opferberatungsstellen
- Flächendeckende Präventions- und Bildungsangebote, die patriarchale Gewaltstrukturen hinterfragen und abbauen
- Rechtliche Klarheit und Konsequenz: Femizide als eigenen Straftatbestand anerkennen und sichtbar machen, Einführung des Prinzips «Nur Ja heisst Ja» als gesetzliche Grundlage
- Betroffenenzentrierte Strafverfolgung: traumasensibel, diskriminierungsfrei und mit verpflichtender Aus- und Weiterbildung für Polizei, Justiz- und Fachpersonen
Diese Massnahmen kosten. Darum fordern feministische Organisationen – darunter die verschiedenen feministischen Streikkollektive – in einer im März 2025 eingereichten Petition 350 Millionen Franken vom Bundesrat «für unsere Sicherheit».
Recht auf Selbstbestimmung und Gesundheit
Der Zugang zu medizinischer Versorgung muss frei von Diskriminierung sein. Ein Schwangerschaftsabbruch ist bis zur 12. Woche zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei. Grundsätzlich ist in der Schweiz ein Schwangerschaftsabbruch weiterhin eine Straftat, da er im Strafgesetzbuch steht. Eine Abtreibung ist kein Verbrechen, sondern ein Grundrecht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung.
Zudem basiert die medizinische Forschung und Versorgung noch immer auf der Norm des gesunden, weissen cis-Mannes. Das führt dazu, dass Frauen, FINTA-Personen und Queers in der Gesundheitsversorgung übersehen, falsch behandelt oder diskriminiert werden. Diagnosen erfolgen später, Schmerzen werden weniger ernst genommen, spezifische Bedürfnisse werden ignoriert. Besonders queere Menschen, BIPoC (Black People, Indigenous People and People of Colour) und Menschen mit Behinderungen erleben häufig strukturelle Diskriminierung im Gesundheitswesen.
Wir fordern:
- Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs – raus aus dem Strafgesetzbuch, als Grundrecht in die Verfassung
- Flächendeckende, gut finanzierte Zentren für sexuelle und reproduktive Gesundheit
- Gendergerechte und queersensible Gesundheitsversorgung – in Forschung, Ausbildung und Praxis
- Diskriminierungskritische Weiterbildung für medizinisches Fachpersonal